Als ich heut morgen nach dem Frühstück die Albuerge verließ, begann es immer stärker zu regnen. So drehte ich nach einigen Minuten um und beschloss, um 10 die Messe in der Dorfkirche zu besuchen und so vielleicht den Regen abzuwarten.
Ich hab jetzt schon viele Messen hier in Spanien besucht und war meist enttäuscht gewesen, weil es mir oft wie ein Abspulen von Ritualen vorkam. Heute war es der Priester höchstpersönlich, der die Kirche aufsperrte und die 45 Minuten Wartezeit fühlten sich an wie aus einem Almodovar-Film: Die kleine Kirche wurde gut voll, Menschen jeden Alters kamen und plauderten lautstark miteinander. Die Kinder saßen alle im Kreis im sehr kleinen Altarraum und die Messe war gleichzeitig ihre ‚Katechese‘. Ein bisschen wie Familienmesse ohne besonderer musikalischer Gestaltung. Manches in diesem Gottesdienst war sicher nicht dem Kirchenrecht entsprechend, aber er berührte mich wie kein anderer vorher.
Als ich mich dann auf den Weg machte und der Regen 10 Minuten später in leichtes Tröpfeln überging, schickte ich für diese Erfahrung ein großes Danke nach oben.
Heute ging es also nach Muxia, das letzte Ziel meines Weges. Ungewöhnlich, dass mir immer wieder Menschen entgegen kamen, bis Santiago waren ja alle immer nur in eine Richtung unterwegs. Auch die gelben Pfeile zeigen jetzt immer in beide Richtungen: F für Finisterre und M für Muxia.
Muxia ist ein Steinriff mit beeindruckenden Wellen. Am Ende des Festlands steht die Kirche ‚Virxe da Barca‘. Hier soll die Jungfrau Maria dem missionierenden Apostel Jakobus erschienen sein. Es gibt hier auch einen Stein, der das Segel des Schiffes zwar nicht war, aber symbolisiert. Wer 9mal unter diesem Steinsegel durchkrabbelt, wird angeblich von Rheuma- und Nierenkrankheiten geheilt, bzw verschont. Für den Fall wissen wir jetzt also, was zu tun ist!
Mein letzter Tag zu Fuß schloss, wie der erste begonnen hatte: Im Nebel durch den Wald bergauf und berab. Dazwischen liegen fast sechs unglaublich spannende, unbeschreiblich schöne Wochen voll toller Erfahrungen, voll Kraft, voll Leben.
Wenn es in einigen Tagen wieder zurück geht, gilt die Herausforderung, diese Glücksmomente in den Alltag mitzunehmen, ein bisschen wie ein Eichhörnchen, das Nüsse für den Winter aufbewahrt. Oder wie Frederic mit seinen Sonnenstrahlen. Ich hoffe sehr, dass mir das gelingen wird.
Morgen früh nehme ich den Bus zurück nach Santiago, der Kreis schließt sich. Die Ankunft dort wird weniger emotional sein wie vor vier Tagen, nicht so viele Erwartungen und mehr Möglichkeit, einfach zu genießen.
Liebe Hermi, es war wunderschön mit dir unterwegs zu sein. Danke. Du hast dich bewegt und wir waren bewegt. Für mich wird immer klarer, dass der Weg das Ziel ist – Be-weg-ung ist das Ziel. Alles fließt und darf nicht still stehn. Dadurch bleibt das Leben spannend – weil immer auch Unerwartetes kommt. Wir wünschen dir einen guten Weg wieder zurück und freuen uns dich wieder zu sehen. Viele liebe Grüße Maria
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Trotzdem braucht der Weg ein Ziel. Es reicht nicht, ziellos auf dem Weg zu sein, denk ich. Und es braucht ein Ankommen, das den Weg sinnvoll macht.
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