Es war dann gestern Abend doch ganz anders. Am Nachmittag hatte es vor der Kirche ein Paellaessen für mindestens den ganzen Ort gegeben. Die Reste wurden unserer Albergue gespendet. Nachdem José-Luis, dem Chef, aber Paella nicht schmeckt, wollte er trotzdem kochen, oder doch nicht? Oder keinen Salat? Es folgten mindestens 30 Minuten Diskussion zwischen ihm und der japanischen Hospitalera. Dieses 82jährige Original wirkte ziemlich wankelmütig und auch etwas frustriert. Letztendlich gab es einen tollen gemischten Salat und von der Paella aß ich den Reis, die Meeresfrüchte kann man eh gut aussortieren. In der schönen Kapelle trafen wir uns dann zum Abendgebet in den unterschiedlichen Sprachen und zum Schluss bekam jede und jeder von uns einen Gebetsbrief, den Pilgernde geschrieben haben. Das waren keine Geschichten, die leicht zu verdauen sind. Traurig, welche riesigen Rucksäcke Menschen in ihrem Leben mitschleppen. An diesem Ort wurde manche Verletzung, manches Schwere, das erste Mal aufgeschrieben und vielleicht auch abgelegt. 20 Tage lang wird dann für das jeweilige Anliegen gebetet.
Der heutige Tag lief sehr gut, ich kam auf der ausgebauten Pilgerautobahn gut in den Flow und unterbrach nur für eine Pause bei einem Donativo auf dem Weg, wo ein Señor mit Pilgerumhang und Clownnase den Pilgernden eine herrliche Melone anbot und sie mit seinen Späßen und guter Musik unterhielt.





Fast zwei Wochen bin ich jetzt schon unterwegs und abgeschottet davon, was sich in der Welt so tut. Aber ganz können wir dem hier auf dem Camino nicht entkommen. Ich hab die junge Ukrainerin Olga kennengelernt, die in Berlin lebt, ihre Eltern sind in Kiew. Wir haben darüber gesprochen, dass es zwischen einzelnen Familien durchaus konfliktreich ist: Die einen, deren Kinder an der Front für das Land kämpfen, die anderen, deren Kinder im sicheren Ausland auf ein Ende des Kriegers warten. Und alle wollen doch nur eine gute und sichere Zukunft!
Eine andere Begegnung möcht ich euch auch noch erzählen: in der kirchlichen Herberge kam ich mit einem jungen Mann ins Gespräch, der mit seinem Bruder unterwegs ist, immer gut gelaunt. Als ich ihm sagte, dass ich aus Österreich komme, antwortete er auf Englisch: ich bin auch Österreicher, ich hab auch einen österreichischen Pass! Sein Urgroßvater ist 1938 aus Wien nach Israel geflohen. Er hieß Hans und war Schauspieler, mehr wusste Dan leider nicht. Es gab ja vor einiger Zeit das Angebot der Staatsbürgerschaft an alle Nachkommen der Geflohenen, das hat Dans Familie angenommen. Ich hatte schon in den ersten Tagen einen Israeli auf dem Rad getroffen und mich gefragt, wie es jüdischen Menschen hier in Spanien geht. Es gibt immer wieder Parolen für Demos an den Wänden und das Land ist eindeutig auf der Seite der Palästinenser. Vielleicht hab ich ja in den nächsten Wochen noch Gelegenheit, das zu fragen, hier auf dem Weg trifft man sich ja immer wieder.