Unvorhergesehenes

ca9de2db-9a3f-4c6c-89ad-3739c42c347a.jpg

Avilés, diese Industriestadt, deren Vorstädte mir so abgewohnt erschienen, hat mich abends noch mit einer sehr schönen Altstadt überrascht. Sie steht unter Denkmalschutz und vor allem die Häuser, die auf Säulen über dem Gehsteig aufgebaut sind, gefielen mir gut. Auch schöne und riesige Parkanlagen gibt es hier, auf den Straßen und Plätzen aber nur wenig grün.
Die große Herberge war fast voll, aber die einzigen, die ich gekannt hatte, waren der rumänische orthodoxe Priester mit seinem Sohn und seinem Freund. Offenbar sind sehr viele neu in Gijon gestartet. Und das Wettrennen um die Betten wird weiter gehen.
Heut war ein Tag der Überraschungen: zweimal hab ich unabsichtlich eine Abkürzung, dafür später vollkommen bewusst den längeren Küstenweg, den es offiziell nicht mehr gibt, genommen. Das Pech dabei war, dass es auch die einzige Herberge dort nicht mehr gibt und ich neun ungeplante Kilometer mehr hatte. Aber der Weg bot nach 316 Stufen wunderbare Ausblicke und zweimal gönnte ich meinen Füßen die Abkühlung im Meer. Auch die private Albuerge, in der ich schlussendlich gelandet bin, ist vom Feinsten: Vierbettzimmer mit allem Drum und Dran um 13 €.
Übrigens: Der Horror aller Pilgernden und Herbergsbetreiber auf dem Weg sind Bettwanzen. Sie nisten sich in den Räumen ein, sind nachtaktiv und werden in den Rucksäcken weiter transportiert. Zwei deutsche Mädels erzählten mir, dass sie Herberge gewechselt hätten, weil unter der Matratze Wanzen gekrabbelt sind. Und die Litauerin Rasa war, als ich sie nach einigen Tagen wieder gesehen habe, vollkommen zerbissen. In der Herberge wurde dann alles gewaschen und desinfiziert. Auch mich hat neben unzähligen Gelsen in einer Nacht eine Bettwanze erwischt. Das erkennt man an den aneinandergereihten Bissen. Da aber in der Folge keine neuen Bisse dazu kamen, dürfte die Wanze dort geblieben sein, wo sie mich getroffen hat. Seitdem bin ich aber mit meinem Gepäck sehr vorsichtig: der Schlafsack wird jeden Morgen und Abend von innen nach außen gedreht. Die Wäsche ist in einem verschlossenen Sack und auch den Rucksack mache ich über Nacht immer zu, damit nichts hinein krabbelt und ich auf den letzten 300 km keine blinden Passagiere mittrage.

Gijon

8dd38e8b-6174-4b66-96d2-5a9ceaa9af00.jpg

Wie in jeder Großstadt, durch die ich bis jetzt gekommen bin, war auch in Gijon gestern Fiesta. Mich störte es nicht, da ich in der Albuerge in einem Vorort eingecheckt hatte – ausnahmsweise in einem zu 100 % deutschsprachigen Zimmer. Andere erzählten, dass bis halb 6 morgens im Zentrum gefeiert wurde. Als ich um 8 los startete, waren die Reinigungsmaschinen unterwegs und die Stadt zeigte sich in einem wunderbaren Licht.
Wieder musste heute ein Berg bezwungen werden, das Schlimmere war jedoch der Nachmittag: unzählige Kilometer auf dem Gehstreifen einer Bundesstraße, balancierend zwischen übergroßem Unkraut und Brennnessel auf der einen Seite und vorbei rauschenden Autos und LKWs auf der anderen. Die Sonne meinte es zu gut und der Lärm der angrenzenden Autobahn und des Industriegelände war fast unerträglich. Und je näher ich der Stadt Avilés kam, desto abgewohnter und ungepflegter wirkte sie. Nicht einmal am Spielplatz wird der Rasen gepflegt. Aber die Herberge hier ist groß und ich bekam ein Bett – das Wichtigste für den Tagesabschluss.

Die Nordküste Spaniens ist offensichtlich ein sehr beliebtes Urlaubsziel, besonders auch für Campingfans. Und das dürften viele Spanier sein. Es gibt hier nicht nur sehr viele Campingplätze, sondern auch Parkplätze oder schöne Aussichtspunkte werden zum Campieren benützt. Überall sieht man Wohnmobile, Wohnwägen und umgebaute Autos jeder Art, wie zB. VW-Busse. Es tut mit noch immer leid, dass ich kein Foto des großen roten Feuerwehrautos mit der Aufschrift EINSATZLEITUNG gemacht habe, das ein spanisches Pärchen offensichtlich aus Deutschland gekauft und zum mobilen Heim umgebaut hat.
Dieses Wochenende geht die Urlaubszeit zu Ende, vielleicht wird es dann ja ein bisschen ruhiger hier.

Muschelzeichen

6abad473-4120-46a3-915a-efdb45241627.jpg

Das Muschelzeichen ist auch Wegweiser für den Weg. Hier in Asturien, wo ich seit sechs Tagen unterwegs bin, ist die Kennzeichnung sehr einheitlich. Der Weg geht immer dorthin, wo das Zentrum der Muschel hinzeigt. Die Strahlen symbolisieren die verschiedenen Wege, die alle nach Santiago führen. Manchmal wird dies auch noch mit einem zusätzlichen Pfeil erklärt, aber grundsätzlich findet man sich hier damit gut zurecht.
Auf verschiedenen Wegen sind die Menschen heut unterwegs, die gestern noch an einem Tisch saßen und von Sergio bekocht wurden: für viele ist heute in Gijon das Ende ihrer Etappe erreicht und sie machen sich auf den Heimweg. Andere gehen wie ich den Küstenweg weiter und sind heute in Gijon. Und manche gehen den Camino primitivo, den ‚ursprünglichen Weg‘, der Richtung Oviedo und dann direkt nach Santiago führt.
Bis Gijon musste ich heut über zwei Hügel, beim Weg auf den ersten hatte ich auf 2.4 km Länge 335 Höhenmeter zu bezwingen, was schon ziemlich viel ist. Danach gings jeweils gleich wieder ins Tal und weiter bis Gijon, wo mich die gigantische Universität beeindruckte.
Asturien ist übrigens die Provinz, von der die Rückeroberung Spaniens und das Zurückdrängen der Mauren ihren Ausgang nahmen. Der Legende nach wurde in dieser Zeit auch das Grab des Hl. Jakobus gefunden, und dieser Heilige deswegen zum Schutzpatron der Reconquista gemacht.

Die Jakobsmuschel

508c512a-553f-4675-981b-c9c8abe3c43c.jpg

Kaum zu glauben, dass die Kirche San Salvador in Priesca, die wir gestern besuchen durften, in drei Jahren 11 Jahrhunderte alt sein wird! Diese ’stille, schlichte Perle am Wegrand‘ ist wunderschön und ein besonderer Kraftort. Und als einzige vorromanische Kirche auf dem Küstenweg auch Weltkulturerbe. Einmal im Jahr, am 21. Juni, zur Mittagszeit, fällt der Sonnenstrahl durch das kleine runde Fenster an der Südseite direkt auf die Marienstatue am Hochaltar. Rosa, die uns das erzählt hat, hat es selbst leider noch nicht gesehen. Seit drei Jahren lebt sie zwar schon hier, aber an diesem Tag hat bis jetzt leider noch nie die Sonne geschienen.
Wunderschöne Fresken gibt es in der Kirche und Fenster mit dem Muschelmotiv, das für den Jakobsweg so typisch ist. Rosa erzählte uns auch, dass diese spezielle Jakobsmuschel früher, als es noch keine Pilgerpässe mit Stempeln gegeben hat, der Beweis war, dass die Pilgernden tatsächlich in Santiago und Finisterre gewesen sind.
Heute tragen fast alle diese Muschel schon beim Hinweg auf dem Rucksack, was eigentlich nicht richtig ist, weil man sie sich ja erst erwandern muss.
Erwandert bin ich mir heute nur ca 12 km, von einer wunderbaren Albergue zur nächsten, wie der Großteil der Gruppe von gestern abend. Als ich ankam, hatte Carlo aus Italien schon ein Mittagessen für uns vorbereitet, bei dem er uns die verschiedenen Arten von Canneloni verkosten ließ. Und mit Anna aus Polen werden wir am Abend noch ihren 30. Geburtstag feiern. Bis dahin entspannen sich alle in dem tollen Garten oder bei einer Siesta.

Pelerinenwetter

14a559e7-d711-464c-97bb-2e55c98c6d82.jpg

Das erste Mal wachte ich heut un 5.23 auf, als die ersten Pilgernden mit ihren Stöcken beim offenen Fenster vorbei gingen. Das zweite Mal um 7.40, als es gerade zu regnen und später zu schütten begann. Ich wartete und machte mich dann erst kurz vor 10 auf den Weg. Marina riet mir, nicht den Original-Camino, sondern die Straße zu nehmen. Da verpasste ich aber die richtige Abzweigung und endete das erste Mal auf einem Hügel beim Golfplatz und beim zweiten Versuch durch etliche Wasserpfützen irgendwo im Nirgendwo. Irgendwann hörte es auf, zu regnen und ich fand auch wieder zurück auf den richtigen Weg. Aber trotz der nur 22 km war es ein langer und anstrengender Tag.
Übrigens kommt das Wort Pelerine für den Regenponcho von dem Umhang, den die Pilgernden (frz. ‚Pelerines‘, span. ‚pelegrinos‘) früher getragen haben – ein dicker, schwerer Umhang, mit dem sie sich vor dem Regen geschützt haben.
Bei den Quartieren lasse ich mich jetzt immer von der Italienerin Rosa beraten. Sie war zwei Monate Hospitalera und ist jetzt selbst auf dem Küstenweg unterwegs. Sie weiß, wo die schönsten und gemütlichsten Quartiere sind. Heute z.B. in einem umgebauten Pfarrhof neben einer Kirche, die aus dem Jahr 921 stammt, und die wir später auch noch besichtigen werden.

Bettenwettlauf

f45f6879-8c6d-4ffa-9491-e0249078a666Nach einer wirklich erholsamen Nacht bin ich heut das erste Mal der Empfehlung in meinem Buch, den Jakobsweg zu verlassen und dem viel schöneren Küstenweg zu folgen, nicht nachgekommen. Dauernd an der Küste zu gehen, verliert seinen Reiz, wenn es ständig starke Steigungen bedeutet. Der Alternativweg führte schön eben auf Waldwegen dahin, und Aussichten aufs Meer gibts trotzdem genug.
Ich hatte mir wieder über 30 km vorgenommen, um an der Touristenstadt Ribadesella vorbei zu kommen. Dort wäre es sicher wieder schwer gewesen, ein Quartier zu finden.
Vielmehr wollte ich in das ‚tu casa‘ einer schweizer Herbergsmutter, die auch vegetarisches Abendessen kocht. Sie hat allerdings nur sieben Plätze. Als ich bei dem schönen Steinhaus ankam, brach das Gewitter, das sich auf den letzten Kilometern schon angekündigt hatte, in Strömen los und eine Frau hängte grad ein Schild auf: Completo – full!
Ich fragte, ob ich trotzdem hinein kommen könne, bis der Regen vorbei und ich eine Lösung für mein Bettproblem gefunden hatte. Die Pension im Ort war voll, eine andere Möglichkeit wäre die vier Bergauf-Kilometer zurück liegende letzte Herberge gewesen. Und plötzlich fiel Marina ein, dass sie ja noch ein Zimmer im Dachgeschoss hätte, das sie mir wie in einer Pension vermieten könne. Ich war so froh und hab ihr aus Dankbarkeit gleich die Wäsche abgehängt – auch, um die meine aufhängen zu können. Denn Wäsche waschen ist nach dem täglichen Duschen Pflichtprogramm auf einem Pilgerweg.
Meinen relativ kleinen Rucksack bewundern hier viele. Was nimmt man mit auf eine sechswöchige Fußpilgerschaft? Drei Hosen in verschiedenen Längen, drei Paar Socken, davon zwei zum Wandern, drei Unterhosen, vier T-Shirts, davon eins für die Nacht. Weste und Regenjacke, Toiletteartikel im Miniformat, ein großes Mikrofaser-Handtuch, ein kleines Gesichtshandtuch, einige Notfallsmedikamente und natürlich Pflaster für die Blasen. Waschmittel für die Wäsche und ein paar Kluppen zum Aufhängen. Schlafsack – der ist bei mir aus Seide und nicht gefüttert, bei Bedarf gibt es immer Decken. Taschenmesser, Schirm, Notizbuch, Reiseführer und natürlich Handy und Ladekabel. Flip-flops für die Freizeit und außerdem auf Empfehlung meiner Osteopathin einen Tennisball für die Massage der verschiedenen verspannten Muskelpartien. Das wärs und wiegt je nach Wetter zusammen ca. 6 -7 Kilo, und dann kommt natürlich auch noch das Wasser dazu.

 

Rund um den Tisch..

a0aae416-43ec-4a70-b1f4-233a9d70608a.jpg

Rund um den Tisch saßen beim gestrigen Abendessen in der Albuerge 14 Menschen aus 9 verschiedenen Nationen: Spanien, Frankreich, Deutschland, Polen, Litauen, Kanada, USA, Mexiko und Österreich. Xavier, der Betreiber, ist einer jener Menschen, die sich die Betreuung der Pilgernden zur Aufgabe gemacht hat. Er kocht für sie, vor dem gemeinsamen Essen wird es gesegnet. Die verschwitzte Tageswäsche wird gewaschen und getrocknet, zum Aufwachen am Morgen wird über den Lautsprecher Musik eingespielt: Ave Maria, Ultreia, die Camino-Hymne, Halleluja,.. Er macht noch Frühstück, bevor er die Menschen herzlich wieder verabschiedet. Und das alles als Donativo, das heißt, es gibt keinen Fixpreis, sonder jedeR zahlt, soviel er/sie kann. Es sind diese besonderen Menschen und Orte, die den Camino bereichern.
Im Gegensatz zum französischen Weg, den ich voriges Jahr gegangen bin, und den Harpe Kerkeling so populär gemacht hat, sind hier weit weniger Deutsche unterwegs, es gibt eine sehr internationale Durchmischung. Im Moment bin ich mit sehr vielen jungen Menschen in der ‚Blase‘, die sich täglich über den Weg läuft.
Dieser ist hier in Asturien übrigens weit schöner als in Kantabrien. Vor allem durch Wald- oder an der Küste sind wir unterwegs, mit wieder herrlichen Ausblicken. Ich gehe auch oft bewusst Umwege, um die schönere Variante zu wählen.
Das ist dann aber oft ein zusätzliches bergauf und bergab und macht auch müder. Und der Weg bot heute wenige Unterkünfte. So stoppte ich bei einem Hostal und fragte, ob ich ein Bett haben könnte. Die ältere Dame war sichtlich ’not amused‘, dass ich ihr letztes Doppelzimmer belegen würde, das sie doch Feriengästen für länger vermieten könnte. Aber ich war hartnäckig, ich wollte einfach nicht mehr 13 km bis zum nächsten Quartier weitergehen. Und vielleicht auch mal den Komfort einer eigenen Dusche, eines riesigen Bettes, eines eigenen Zimmers genießen. Ich würde auch fürs Doppelzimmer bezahlen, meinte ich. So ließ sie sich erweichen, ich hab mein Zimmer, meine Ruhe und auch Gelegenheit, meinen Rucksack einmal vollständig auszuräumen und zu sortieren.

 

Steilküsten

acef84aa-d069-4df5-8168-eca89d96b24d.jpg

Nicht nur in San Vincente war gestern fiesta, sondern auch in dem kleinen Ort, wo ich schlief. Bis halb 5 konnten wir lautstark Automatenmusik mithören. Trotzdem waren um 7, als ich aufwachte, fast alle Betten leer und die Pilgernden schon unterwegs oder beim Packen.
Heute passierte ich die nächste Provinzgrenze, nämlich nach Asturien. Der Weg führte weniger auf Straßen, sondern durch Wälder und die letzten 8 km an der wunderschönen Steilküste entlang.

Manchmal widme ich einen Tag einer Person oder einem Thema. Gestern bat ich für jemanden um Heilung und Heil. Und das Thema holte mich dann noch einmal ein, als mich eine kalifornische Frau aufhielt. Sie möchte gern eine Herberge eröffnen und den Pilgernden Gutes tun, weil sie selbst so viel Gutes auf dem Camino erfahren habe: Nach einem schweren Autounfall hätte sie fast das linke Bein verloren. 23 Operationen wurden gemacht und trotzdem würde sie für immer hinken, meinten die Ärzte. Und dann hat sie sich auf den Camino francés getraut. Ist von Pamplona weg am ersten Tag 5 km gepilgert und hat sich langsam gesteigert. Und sie hat es bis Santiago geschafft! Und wieder zurück in Amerika ist sie nicht einmal mehr gehinkt! Am Camino hat sie nicht nur ihr geistiges und spirituelles Heil erfahren, sondern auch ihr körperliches. In der Folge hat sie drei Monate als Hospitalera in einer Herberge gearbeitet. Und jetzt sucht sie einen Ort, wo sie selbst eine Herberge eröffnen und den Pilgernden Gutes tun und ähnliche Erfahrungen ermöglichen kann: Heil und gesund zu werden an Körper und Seele.

 

Wetterbericht

36e1c507-378f-41b0-b0c4-9aeba22d9d21.jpg

‚Warum fährst du im August nach Spanien? Ist es dort nicht viel zu heiß?‘, fragten mich viele Hitzegeplagte vor meiner Abreise. Natürlich hab ich schon geschwitzt hier, so richtig heiß war es aber erst an zwei Nachmittagen. Ansonsten gibt es angenehme Temperaturen zw. 25 und 30 Grad und oft weht ein leichter Wind von der Küste, der das Gehen angenehm macht.
Seit gestern überquert uns allerdings eine Regenfront und es ist extrem feucht mit mehr oder weniger Regen.
Eine, die ihrem Namen hier wirklich Ehre macht, ist die spanische Nacktschnecke. Man sieht sie auf allen Wegen, in jeder Größe und Farbgestaltung und auch in jedem Aggregatzustand. Bilder davon erspare ich euch lieber.
Die Landschaft ist unglaublich grün und erinnert mich an unser Alpenvorland: einzelne Höfe, die mit kleinen Straßen verbunden sind. Dazwischen weiden Kühe, Pferde, Schafe, Ziegen und auch oft Esel. Nur wenn mir dahinter der Horizont fehlt, merke ich, dass das Meer so nahe ist.
Im, am und über dem Meer entlang ging es auch heute. Ich wollte bis San Vincente, einer wunderschönen Halbinsel, und hatte ein Deja-Vu: Mittelalterfest und alles voller Menschen. Und das Schlimmste: die Herberge, die mit 44 Betten angekündigt war, gibt es nicht mehr! Und sonst auch absolut kein Bett. Nachdem ich mich versichert hatte, dass in Serdio noch etwas frei sei, musste ich also noch einmal 8 km weiter marschieren, zusätzlich zu den 25 geplanten und den ?? ungeplanten.

Altamira

42d3519d-f599-46ac-b2f4-70badcbd4188.jpg

Im Gegensatz zum Camino francés, den ich voriges Jahr gepilgert bin, gibt es hier auf dem Norte sehr oft verschiedene Wegvarianten, manchmal bis zu vier! So empfinde ich es als sehr anstrengend, die gelben Pfeile im Blick zu haben, gleichzeitig im Buch zu schauen, was der für mich beste Weg ist, und mit der Handy-App zu kontrollieren, ob ich eh auf diesem unterwegs bin. Schwierig wirds dann, wenn die drei Faktoren nicht übereinstimmen.
Die Wege sind, auch wenn sie von stark befahrenen Straßen wegführen, Nebenstraßen, das heißt nur Asphalt oder Betonfliesen.
Heute entschloss ich mich, einen Abstecher von insgesamt 5 km zu dem Höhlen von Altamira zu machen. Die 16.000 Jahre alten Höhlenzeichnungen wurden 1868 entdeckt und zuerst nicht für echt gehalten, weil sie so gigantisch und wunderschön sind. Erst 1901 wurde die Echtheit bestätigt, weil ähnliche steinzeitliche Bilder in anderen Höhlen gefunden wurden.
Der starke Besucheransturm tat den Höhlen aber nicht gut, deswegen wurde daneben eine ‚Museumshöhle‘ gebaut, in der alles originalgetreu nachkonstruiert wurde. Diese wollte ich besichtigen, aufgrund des regnerischen Wetters hatten das aber heute viele vor, sodass ich mich in der Schlange beim Eingang über eine Stunde anstellen musste. Mein Termin zur Besichtigung war dann nochmal 35 Minuten später.
Aber es hat sich ausgezahlt: etwa 930 Bilder enthält die Höhle, Ritz- und Kohlezeichnungen und farbige Darstellungen. Abgebildet sind Hirsche, Bisons, Hirschkühe, Pferde und Wildschweine. Verwendet wurden Holzkohle, Rötel und Farbmischungen.
Insgesamt gibt es in Nordspanien ca 15 steinzeitliche Höhlen. Die größte davon ist Altamira und gemeinsam sind sie Weltkulturerbe.
Santillana ist die Stadt, nahe der die Höhle gefunden wurde, und auch sie ist ein Überbleibsel einer anderen Zeit: viele mittelalterliche Häuser und Adelspaläste machen die Stadt zu einem touristischen Anziehungspunkt – natürlich auch besonders bei Regenwetter.
Seit Santander sind tatsächlich die Menschenmassen auf dem Weg verschwunden. Gestern waren wir drei in der Herberge. Heute übernachte ich in einem Zisterzienserkloster und wir sind nur vier in zwei großen Schlafsälen.