Pfeile

Der Verbindungsweg, den ich die letzten zwei Tage gegangen bin, wird offensichtlich nicht mehr beworben und beschildert. Das erkennt man auch daran, dass ich die einzige in der einzigen Pension in Friol war. Der Rest der Zimmer stand leer. Ein großer wirtschaftlicher Schaden für die Menschen, die hier entlang wohnen. Sie konnten vorher an den Pilgernden eine Kleinigkeit verdienen.
Das ist auch der Grund dafür, dass es keine, bzw. keine einheitliche Wegführung gibt. Für heute wollte ich einfach der App folgen, nachdem ich aber keinen Empfang hatte, orientierte ich mich dann vor allem an den grünen Pfeilen – bis der Weg vor einer großen, grünen Wiese endete. Da in Galizien die Felder und Wälder mit Stacheldraht umzäunt sind, war mir das Abenteuer dann doch zu unsicher. Ich drehte um, ging alles zurück und nahm den Weg über die Straße. Fortan orientierte ich mich an den schriftlichen Beschreibungen in meinem gelben Büchlein, die ungefähr so lauten: ‚gehen sie 500 m geradeaus bis zur Gabelung, nehmen sie dann den Weg, der steil bergauf führt und nach 20 m gehen sie wieder rechts.‘ Bis ich auf einem Hügel stand und absolut unsicher war, wo ich überhaupt war. Genau in diesem Moment zeigte mir mein Handy das erste Mal den Standort an. Von da an war es leicht, auf dem richtigen Weg zu bleiben.

Nach 20 km traf ich dann in Meson auf den Küstenweg. Sofort waren jede Menge Pilgernde unterwegs und bei der für mich ersten Bar des Tages herrschte richtiges Gedränge.
Gelandet bin ich heut in Sobrado. Leider ist die große Herberge des großen Zisterzienserklosters geschlossen, sodass ich wieder Mal großes Glück hatte und das letzte Bett in einer privaten Herberge erhaschte.
Die gelben und grünen Pfeile, die schriftlichen Wegweisungen und die App, die zeigt, wo es hingehen kann – all das können Symbole sein für all das, was helfen kann, dem richtigen Lebensweg zu folgen. Was gibt mir Orientierung? Woran orientierst du dich?

Camino real

‚Wenn Sie Zeit haben und ein wenig Abenteuerlust, empfehle ich ihnen diesen Weg‘, so schreibt Raimund Joos in dem gelben Büchlein, das mich auf meinen Jakobswegen begleitet. Ich habe beides, aber von den ca 20 Personen, die ich immer wieder unterwegs getroffen habe, bin ich vielleicht die einzige, die heute diesen Umweg genommen hat.
Außer einigen Mountainbikern und zwei alten Frauen habe ich auf dem gesamten Weg niemanden getroffen. Eine Bäuerin nutzte die Gelegenheit für einen kurzen Plausch und erzählte mir, dass sie mit Fidel Castro in einer Autofabrik gearbeitet habe. Deswegen wusste sie auch Details aus seiner Familie. Die andere Bäuerin wollte mich unbedingt zurück schicken auf den Primitivo, konnte nicht glauben, dass ich tatsächlich ‚querfeldein‘ gehe. Der Vormittag war tatsächlich ein Abenteuer: schon beim Hinausgehen aus der Stadt habe ich zweimal den falschen Weg genommen. Später gelangte ich aber ohne Probleme zu dem wunderschönen Wildbach, der als ‚Extratour‘ beschrieben wurde. Die Stege und Brücken zu überqueren, war jedoch manchmal durchaus eine Herausforderung.
Da es zu diesem Weg keine offizielle Markierung gibt, machte mir um die Mittagszeit ziemliche Probleme: Es gibt grüne und gelbe Pfeile, die aber nicht immer ident sind. Es gibt eine Beschreibung im gelben Büchlein, und es gibt eine App, all das passt aber nicht wirklich zusammen. Bei der Pause war ich so verwirrt, dass ich Angst hatte, überhaupt in die falsche Richtung unterwegs zu sein. Die Namen der Dörfer auf den Plänen passten einfach überhaupt nicht zusammen! Weil die Wege parallel, aber mit einigen Abstand voneinander gehen. Später begleiteten mich Schilder des Camino real, da fand ich mich gut zurecht und pilgerte die letzten 10 km ganz entspannt bis Friol.

Lugo

Die einzige große Stadt am camino primitivo – noch dazu in einer Entfernung, die für den Erhalt der beliebten Compostela reicht (Dafür muss man mindestens 100 km gegangen sein). Gleich am Stadttor begrüßt mich ein Stein, der an König Alfons II erinnert. Er war ja der Legende nach der erste, der nach Santiago gepilgert ist und hat somit den Jakobsweg begründet.

Lugo ist ungefähr so groß wie Klagenfurt und war zur Römerzeit die Hauptstadt der Provinz Gallaecia. Von daher stammt noch die über 2 km lange Stadtmauer, auf der man die Altstadt umrunden kann, was ich natürlich gemacht habe.
Die Kathedrale stammt aus dem 12. Jhdt, ist aber an einem Ort erbaut, wo schon 755 eine Kirche stand. Sie ist unglaublich reich an Kunstschätzen und erinnert mit ihren Anbauten an die Kathedrale von Santiago. Das Besondere an der Kathedrale von Lugo ist, dass sie vom Papst die Erlaubnis zur dauerhaften Aussetzung bekam. Das heißt, auf dem Hochaltar steht immer die Monstranz mit der Hostie (für uns der Leib Christi).

Es war Samstag Abend und unglaublich viel los in Baleiroa – ein dreitägiger Lauf von Oviedo nach Santiago (was ich in zwei Wochen mache!) machte hier mit dem ganzen Tross Station.
Nach einem gemeinsamen Abendessen mit Erna und Walter aus Südtirol verabschiedeten wir uns voneinander. Wir waren in der letzten Woche immer wieder begegnet und haben manchmal in den selben Quartieren übernachtet. Jetzt trennen sich unsere Wege, da die beiden den Weg nach Melide nehmen, wo sie auf den Camino Frances stoßen und sich in die wahrscheinlich große Anzahl von Pilgernden einreihen. Ich jedoch möchte einen anderen Weg nehmen.

Tiefer gehen

Als ich heut morgen um 7:45 das Haus verließ, gab es keine geöffnete Bar, wo ich ein Frühstück kaufen konnte. So machte ich mich im Stockdunkeln auf den Weg. Einmal betastete ich sogar den Pfeil am Wegstein, um sicher zu gehen, dass ich die richtige Abzweigung nahm. 21 km waren es noch bis Lugo und die Wegfotos sehen immer gleich aus. Kein anderer Camino geht so viel durch Wälder und so wenig auf Asphalt. Aber auch auf keinem anderen Weg gibt es so wenig Gelegenheit, sich hinzusetzen und eine Pause zu machen.
So gelangte ich sehr schnell nach Lugo, vor dem letzten Aufstieg fand ich doch noch eine Steinmauer, auf die ich mich setzen und mein Bocadillo essen konnte. Jetzt sind es nur mehr 100 km bis Santiago! Ich checkte wieder in der Municipal ein und werde mich dann auf den Weg machen, die Stadt zu erkunden. Davon erzähle ich euch dann morgen.

Besondere Beachtung schenkte ich heute den wunderschönen alten Edelkastanienbäumen. Welch mächtiger Stamm sie trägt und hält! Ich stelle mir dann immer die Wurzeln unter der Erde vor. Ob sie so tief reichen, wie sich die Krone nach oben streckt?
Tiefer gehen, das ist auch mein Ziel auf diesem Weg. Auszusteigen aus dem Oberflächlichen, Unwesentlichen und doch alltäglich Wichtigem, das mein Leben oft prägt. Mich auf das Wesentliche beschränken. Vieles zurücklassen.
Der Weg in die Tiefe ist eine Herausforderung und Überwindung. Ein Weg, der aber selbst tragen kann, der zu mir und zu Gott führt.

Was das bringen soll? Aus der Tiefe der Erfahrung mit mir selbst und mit Gott kann ich das eigene Leben erfüllter erfahren und anderen Mut machen, sich auf diesen Gott einzulassen, der Leben schenkt.
(Textteile von unbekanntem Autor übernommen)

Zeit zum Nachdenken

Heute war für mich der bisher schwierigste Tag. Auch wenn ich die höchsten Punkte des Camino hinter mir habe, so prägten die heutige Route doch steile Anstiege und kurze Abstiege, auf die noch steilere Anstiege folgten. Das erste Mal meldete sich auch mein Knie. Trotzdem wagte ich eine zusätzliche Fleißaufgabe von 8 km. Dieses Stück liegt zwischen zwei 20 km-Etappen und kann entweder als Tagesmarsch gemacht oder an einem der Nachbartage drangehängt werden. Als Strecke für einen ganzen Tag ist mir das zu kurz. Und mir war es heute lieber, da ich morgen Lugo erreichen werde. Das ist die einzige größere Stadt auf dem Camino primitivo. Die möchte ich mir am Nachmittag ansehen.
Auf dem Weg nahm ich mir bewusst Zeit, zurück zu schauen auf die gegangenen Wegstrecken, auf die Berge, die ich überschritten und hinter mir gelassen habe. Und es war auch Zeit, auf meine eigene Geschichte zu schauen. Mein Vater hätte heute seinen 93. Geburtstag. Was waren die Werte, die er mir mitgab für das Leben? Und was davon ist mir wichtig geblieben? Bescheidenheit, Glaube, Treue, Verantwortungsbewusstsein, .. Was ich von ihm übernommen habe, ist auch seine Reiselust. Jedes Jahr organisierte er als Obmann des Weinbauvereins eine mehrtägige Auslandsreise. Und seine Liebe zur Familie, die er als Kind nicht erleben durfte.
Nachdem ich in der letzten Nacht in meinem Seidenschlafsack sehr gefroren habe, bin ich heut in Castroverde in einer Pension gelandet – und bekam das letzte Zimmer, eines, das normalerweise wegen der lauten Lüftung nicht vermietet wird. Wieder mal Glück gehabt.

Lasten lassen

Noch einmal mussten wir heute morgen eine ziemliche Steigung bewältigen: von 671 m ging es hinauf auf 1112 m Seehöhe, immer begleitet von den Windrädern, die auf den Bergkuppen stehen und unablässig für Strom sorgen. Zu Beginn des Tages stolperte ich über einen Stein, den ich mit mir mitnahm: ich dachte über die Stolpersteine der letzten Zeit nach und legte ihr Gewicht in den Stein.
Oben auf dem Berg, an der Grenze zu Galicien, war es Zeit, den Stein zu verabschieden und so warf ihn so weit wie möglich den Berghang hinunter. So kann ich hoffentlich auch manches Bedrückende hinter mir lassen.
Jetzt also Galicien, eine Landschaft, die sehr an Irland erinnert. Früher siedelten hier die Kelten und keltische Traditionen prägen auch heut noch die Provinz, wie z.B. der Dudelsack oder der Hexenglauben. Wie auch in Asturien gibt es hier kleine Bergdörfer, die von sehr einfachem Lebensstil erzählen. Das erste galicische Dorf, das wir passierten, ‚Lugo‘, besteht tatsächlich aus nur einem Haus. Unzählige Kühe grasen auf den Weiden, manchmal auch Pferde, Schafe oder Ziegen. Katzen streunen um die Gehöfte herum und beim Vorbeigehen bellen die Hunde, die meist an einer Kette hängen.
Das heutige Tagesziel ist A Fonsagrada, wo ich mich am Abend noch mit einem Glas Rotwein von Marius, einem Pilgerfreund, verabschieden werde. Er kennt den Rest dieses Weges schon und wird morgen auf den Camino de la Plata wechseln.

In Galicien verändert die Richtung des Muschelsymbols auf den Markierungssteinen. Es wird jetzt als Hand gedeutet, die Richtung Santiago weist. Und es stehen auch die Restkilometer drauf: 166. Die Hälfte des Weges ist geschafft!

An- und Abstiege

So sieht das Kartenprofil des ersten Teiles meines heutigen Weges aus: Von La Mesa ging es erst hinauf auf 1050 m und dann teilweise sehr steil und auf holprigen Wegen hinunter, bis der Weg auf 255 m die Staumauer von Grandas Salimas passierte. Und danach stieg ich wieder stetig bergauf auf 671 m. Und eigentlich war ich fast den ganzen Tag unterwegs, um diesen Stausee zu umrunden.

Als Reaktion auf meinem gestrigen WA-Status vom höchsten Punkt der Etappe schrieb mir ein Pilgerfreund: ‚Trotzdem wünsche ich dir, dass es Tag für Tag bergauf geht.‘
Ja, die Ups and Downs dieses Weges stehen auch für die guten und schwierigen Zeiten des Lebens. Und ich überlege: was drückt mich immer wieder hinunter? Was macht mir das Leben schwer? Und was lässt mich trotzdem aufleben und den nächsten Schritt wagen? Was gibt mir Kraft und lässt mich glücklich sein?
Und ich denke an einige Menschen, denen im Moment die Kraft fehlt. Mögen auch sie nicht den ganzen großen Berg sehen, sondern Schritt für Schritt wagen.

Die Gegend, die wir heut durchwanderten war geprägt von schweren Waldbränden. Auch die verkohlten Stämme, aus denen Neues wächst, können ein Hoffnungszeichen für uns sein.
Mein heutiger Weg endet im kleinen Bergdorf Castro. Morgen werde ich am Alto de Acebo die Grenze zwischen Asturien und Galicien überschreiten.

Hinter-Fragen

Gestern Abend in der Municipal waren alle außer mir aus Spanien. Ich kam mit der einzigen Frau ins Gespräch und nutzte dieses, um endlich die Frage zu stellen, die mich seit dem Beginn in Oviedo beschäftigt: warum starten die Spanier, die doch sonst nicht als Frühaufsteher bekannt sind, immer schon im Dunkeln weg?
‚Je früher wir losgehen, desto früher sind wir da‘, meinte sie. Ja schon, aber was tut ihr dann dort den ganzen Nachmittag? ‚Wir waschen die Wäsche und schauen uns den Ort an. (Naja, soviel Wäsche haben wir hier auch wieder nicht, und die Dörfer sind dann schnell durchrundet ..) Aber eigentlich hab ich mich heut auch gefragt, warum wir 2 Stunden mit der Stirnlampe gehen, bevor endlich die Sonne aufgeht.‘ Und sie nahm sich das offenbar zu Herzen, denn heut morgen waren wir die letzten, die kurz vor acht die Herberge verließen. Und sind doch rechtzeitig hier angekommen.
Vielleicht ist es auch für mich manchmal gut, alte Gewohnheiten zu hinterfragen?
Heut also der Pass Puerto del Palo, der höchste Punkt des Weges, auf 1.146 m gelegen. Wir starteten bei heiterem Himmel in Lola de Allande auf 524 m und es war gut zu gehen. Über der Baumgrenze wurde es dann leider bedeckt und es ging ein starker Wind, der oben am Pass den Nebel drüber trieb. Plötzlich aber kam die Sonne und gab den Blick auf wunderschöne Täler und Berghügel frei. Mangels anderer Sitzgelegenheiten machten alle in dem kleinen Anger Montefurado Pause – auf Steinmauern, Türstufen, Bänken, als plötzlich der (Alt)Bauer mit einem Stecken kam, wütend herumbrüllte, uns alle vertrieb und auch noch ein Stück weit schreiend mitging. Ich kann es ja verstehen, dass es nicht unbedingt lustig ist, wenn täglich etliche Menschen vor seiner Eingangstür herum sitzen, vielleicht auch noch Mist machen, nur weil sie glauben, sie müssten genau hier gehen. Der Tag endete nach offiziellen 22,4 km in einer sehr neuen und netten Albuerge, wo ich mit dem südtiroler Ehepaar gemeinsam ein kleines Zimmer bekam. Diese Nacht einmal nicht in einem Stockbett!

Welchen Weg?

Gestern gab es in der Herberge noch heftige Diskussionen über den weiteren Wegverlauf: Es gibt einen 25 km langen Weg an einem Berggrat der Sierra Fonfaron entlang, den man allerdings auf einmal gehen muss, weil es nirgends eine Unterkunft oder auch nur Verpflegung gibt.
Und es gibt eine neue Wegalternative, wo der Anstieg zwar auch heftig ist, aber der höchste Punkt nur bei 1100 m liegt, also 100 m weniger hoch. Die Spanier besprachen das am Abend lang und breit und laut durch.
Für mich hieß das: entweder heut nur 15 km gehen und morgen den spektakulären Weg über Hospital, oder heute ca 30 km bis zur Albergue in Pola de Allende und morgen den kürzeren, steileren und nicht so großartigen Camino. Als ich um 12 Uhr schon in Borres war, war mir klar dass ich nicht noch einem Nachmittag lang warten möchte, bis es Abend wird. Das war gestern doch sehr langweilig, auch wenn es meinem Körper sicher gut getan hat. Pech nur, dass es den ganzen Nachmittag lang immer wieder mehr oder weniger geregnet hat, und die Sonne immer nur kurz herauskam. Die Fotos zeigen euch einige spannende Wegstücke.
Bei der Mittagspause in einer Bar sah ich etliche Pilgernde vorbei kommen – und zu vielen davon wusste ich schon eine Geschichte.
Wer sind nun die Menschen, die hier auf dem Camino primitivo unterwegs sind?
Mindestens die Hälfte sind aus Spanien, die tun sich dann oft zusammen. Einzelne andere kommen aus Holland, Deutschland, Ungarn, England und sogar Costa Rica. Drei Paare sind jeweils gemeinsam unterwegs – aus Deutschland, Südtirol und Frankreich. Es ist berührend, so manche Geschichte zu hören. Was hier fehlt im Vergleich zu den anderen Caminos, sind die vielen jungen Menschen. Nur einige junge SpanierInnen sind gemeinsam unterwegs. Sonst ist das Publikum hier eher älter, ich bin mit meinen 56 sicher unterer Durchschnitt. Und die meisten sind sogar noch älter als sie wirken. Schön, wenn man mit 70 noch so sportlich ist und sich solche Wegstrecken zutraut. Der Camino hält offensichtlich jung!

Der erste Weg

Als ich 2017 das erste Mal nach Spanien aufgebrochen bin, um ‚den‘ Jakobsweg zu gehen, war mir zwar bewusst, dass es ein Netz von Wegen gibt, auf denen die Menschen aus ganz Europa nach Santiago pilgern. Aber dass es auch in Spanien Caminos aus allen Richtungen nach Santiago gibt, das erfuhr ich erst beim Unterwegs sein.
Hier auf diesem Weg ist daher eine gern gestellte Frage: welche Caminos bist du schon gepilgert? Und dann werden oft einige Wege aufgezählt.
Der Camino primitivo ist nie dabei. Dabei war er doch der erste, der ‚ursprüngliche‘ Weg, wie die wörtliche Übersetzung heißt.
Nach der Entdeckung des angeblichen Grabes des Apostels Jakobus im Jahr 811 machte sich schon 830 König Alfonso II als erster Pilger dorthin auf den Weg. An der Fundstelle ließ er ein Heiligtum errichten, um das sich der Ort Santiago de Compostela als Ziel langer Pilgerfahrten entwickelte.
Bald verlor dieser Weg seine Bedeutung. Die Menschen pilgerten entlang der Küste oder auf dem jetzt so populären ‚camino francés‘ . Dieser war angelegt und mit christlichen Menschen bevölkert worden. Dadurch festigte die Kirche ihren Machtanspruch auf die iberische Halbinsel und machte León zur Hauptstadt.
Den heutigen Tag begann ich gut ausgeschlafen und bewältigte die erste große Steigung von 300 auf ca 650 m ohne größere Probleme. Auf schönen, manchmal steinigen oder auch matschigen Wegen ging es weiter, meist im Schatten von Bäumen. Ab dem späteren Vormittag meldeten sich dann abwechselnd meine Beine, meine Hüften, mein Rücken und vor allem auch meine Schultern. Ich hörte sie fast rufen: ‚He, jetzt reicht es! Drei Tage diese Tortur, das ist genug!‘
Da erinnerte ich mich, dass früher bei (Winter)Sportwochen auch immer der dritte Nachmittag zur Entspannung und Unfallminimierung frei war. Ich nahm mir daran ein Beispiel, beendete meinen heutigen Weg nach 20 km in Tinea und belohnte mich mit einer Riesenpizza.
Von hier sieht man weit ins Land hinein und mir wird bewusst, dass ich noch einige schöne Pilgertage und auch Bergwertungen vor mir haben werde.