Gute Nacht

Nur um zwei Dinge muss ich mich täglich kümmern: Was werde ich essen? Und wo werde ich schlafen? Gestern in Grado hab ich in einer ‚Albuerge municipal‘, einer öffentlichen Herberge eingecheckt.
Und ja, das ist genau so, wie ihr es aus den Filmen über den Jakobsweg kennt: in einem Raum stehen möglichst viele Stockbetten mit Metallgestell, die mit Pilgernden befüllt werden. Diese quietschen und schwingen bei jeder Bewegung der darauf liegenden Personen. Und wenn wie gestern dann noch drei Betten an der Schmalseite aneinander stehen, dann schwingt alles! Ich fühlte mich wie auf einem Schiff bei manchmal mehr, manchmal weniger Wind und es dauerte lange, bis eine gewisse Entspannung eintrat, immer wieder unterbrochen von manch erdbebenartigen Rumpeleien.
Ihr fragt sicher jetzt: warum tut sie sich das an?
In diesen Municipals herrscht immer eine sehr freundliche und hilfsbereite Stimmung, denn sie werden von Freiwilligen aus der ganzen Welt jeweils für zwei Wochen betreut und diese wollen ihre Aufgabe gut machen. Die zwei Damen gestern waren z.B. aus Kanada und Tansania. Und die Menschen, die dort einchecken, sind meist Alleinreisende aus der ganzen Welt und besonders offen.
Der Weg heut erinnerte sehr an Wanderwege im Alpenvorland: durch Wälder, an Flüssen entlang, bergauf, bergab. Und ein besonderes Hindernis gab es auch zu überwinden. Einen absichtlichen und einen unabsichtlichen Umweg nicht eingerechnet war ich nach ca 23 km um 15.30 sehr froh, in Salar anzukommen.
Hier habe ich in ‚La Campa‘ eingecheckt, einer private Herberge, die von einem Holländer betreut wird. Die Räume sind kleiner, aber auch mit Stockbetten voll gestellt. Während öffentliche Herbergen oft auf Spendenbasis funktionieren, haben die privaten einen fixen Preis und heut Abend wird auch ein Essen angeboten, auf das ich mich schon sehr – natürlich vegetarisch 😉

Auf dem Weg

Um 7.30 Uhr bin ich bei 15° in Oviedo gestartet – und nahm gleich einen Umweg! Der war allerdings geplant und in meinen Buch ausführlich und als attraktiv beschrieben. Zu dieser Zeit ist es in Spanien noch dunkel, Sonnenaufgang ist um 8.15, oben auf dem Berg war ich live dabei! Das Ziel meines Abstechers waren zwei sehr schöne vorromanische Kirchen, die als Weltkulturerbe und auch als Wahrzeichen Asturiens gelten: Santa Maria del Naranco und San Miguel de Lillo. Auch die Aussicht von oben war wunderbar!

Trotzdem war ich dann froh, wieder auf den offiziellen Weg zu gelangen, die Markierungen hier sind tatsächlich ausgezeichnet: Regelmäßig stehen Steine, die die Richtung angeben, zusätzlich kleben Fliesen an Hausmauern und gelbe Pfeile auf Straßenschildern. Man kann sich also kaum verlaufen, man muss nur wissen, dass man immer in die Richtung gehen muss, wo sich die Striche der Muschel bündeln: Santiago als Ziel zahlreicher Wege. In anderen Gegenden hab ich dass auch schon umgekehrt gesehen.

Am Berg bin ich auch bei der riesigen Anlage ‚Centro Asturiano‘ (laut Buch ein ‚Bonzenclub‘) mit Golf- und Tennisplätzen, Parkanlagen, … vorbei gekommen. Auf dem mit Stacheldraht umzäunten Gelände drehte ein Läufer seine Runden. Meine Gedanken dabei: wie froh bin ich, auf dieser Seite des Stacheldrahtes unterwegs zu sein! Um kein Geld der Welt möchte ich diese Freiheit tauschen!
Bergauf, begab ging es heut auf waldigen, betonierten, steinigen Wegen und manchmal auch auf asphaltierten Straßen bis nach Grado, begleitet von der Sonne und einem ungemeinen Glücksgefühl im Herzen.

Oviedo

Die nächtliche Fahrt war diesmal angenehmer: der Bus war nur locker besetzt und hielt erst in Bordeaux. Ab Spanien fuhren wir entlang des ‚Camino del Norte‘ – des Küstenweges, den ich vor drei Jahren gepilgert bin. Städte wie San Sebastian, Bilbao, Santander, .. weckten viele Erinnerungen an schöne und anstrengende Wegstücke und an die Menschen, die ich hier getroffen habe. Wie oft bin ich damals wohl unter dieser Autobahn hindurch gegangen?
In Oviedo angekommen machte ich mich auf die Suche nach einer Albuerge (Herberge). Ich wurde in den zweiten Stock eines engen Altbaus geschickt. Der Mann, der öffnete, erklärte, dass übernachten hier nicht mehr möglich ist – aber obwohl hier einige Zimmer mit Betten waren, hätte ich hier auch nicht übernachten wollen. Mit Hilfe zweier anderer Männer fand ich eine neuere Pilgerherberge und einen guten Platz zum Schlafen.
Der originale Startpunkt dieses Caminos (spanisch für Jakobsweg) ist die Kathedrale von Oviedo. Sie ist im spätgotischen Stil erbaut mit einem riesigen, vergoldeten Altar (dem drittgrößten von Spanien) und vielen anderen Schätzen, unter anderem einem Tuch, das als das Schweißtuch von Jesus verehrt wird und mit einem wunderschönen Kreuzgang. Das erste Stück des Weges, der mit eingegossenen Muscheln am Gehsteig markiert ist, bin ich heut schon gegangen. Morgen wird der Weg mich weiter führen.

Brich auf..

… gehe, vertraue,
wage es jeden Tag neu, dich zu verändern.


Diese Aufforderung hab ich wörtlich genommen und bin aufgebrochen: aus meiner Arbeit in den Pfarren und auch aus meinem Zuhause.
Fünf Wochen lang möchte ich in Spanien sein. Dorthin nehme ich auch diesmal nicht das Flugzeug, sondern den bewährten Flix-Bus. Die erste Etappe führte mich letzte Nacht nach Paris.
Mit dem Flix-Bus unterwegs sein, das bedeutet: Menschen unterschiedlichster Nationalitäten und Sprachen, sehr viele Jugendliche, Aus- und Zustiegsstellen in den größeren deutschen Städten bis tief in die Nacht hinein. In Ulm der Ruf: change the bus! Sofort hellwach, Sachen zusammenkramen, das Gepäckstück heraussuchen, im neuen Bus verstauen, einen neuen Platz suchen. Die bezahlte Reservierung ist unnötig, denn alle setzen sich einfach irgendwo hin. In Strasbourg geb ich dann meinen Doppelplatz auf. Der Bus ist tatsächlich ganz besetzt.
Morgenstau in Paris, wir kommen mit ca. zwei Stunden Verspätung an.
Ich hab eine Tag lang Zeit, diese Stadt zu genießen. Leider gab es immer wieder Regengüsse, die meine Tour unterbrachen. Meine Route spannte sich zwischen den mir wichtigen zwei Orten: die Kathedrale Notre Dame, die im Oktober 2019 einem Brand zum Opfer fiel und dem Triumphbogen, der nach Plänen Christos gerade verhüllt wird. Dieses Projekt ist wirklich ein Spektakel mit den Kränen und den Menschen, die an Seilen hängen, um die Schnüre zu befestigen.
Die Kirchen San Eustachio und Sainte Madeleine, Rathaus, Arc de Triumph de carousel, Place de la Concorde und die Tuillerien – all das ließ ich auf mich wirken.
Heute Nacht geht es mit dem Bus weiter Richtung Spanien, mein Ziel heißt diesmal Oviedo.

Nachwort

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Mit diesem Engel von Niki de Saint Phalle, der in der Bahnhofshalle in Zürich hängt, möchte ich mich von euch verabschieden. Dieser Blog hat mich in meinem Sabatical auf Reisen begleitet und ihr konntet daran teilhaben. Danke für euer Interesse, auch für eure Bestärkungen und guten Wünsche. Ich hatte eine wunderbare Zeit!
Gleichzeitig möchte ich euch ermuntern, Chancen, die euer Leben bietet, mutig zu nutzen und euren eigenen ‚Camino de la vida‘ in euren Möglichkeiten zu gestalten.

Was bleibt

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Auch wenn ich die ca. 900 km fast immer alleine gegangen bin, so sind es doch vor allem die Menschen, die mir in den Sinn kommen, wenn ich Bilder des Weges in mir wach rufe. Und ich bin dankbar für diese Leben, die ich kennenlernen durfte und auch mit dem eigenen Leben in Verbindung bringen konnte:
– Ehepaare, die ein Hochzeitsjubiläum feierten. Meine Trauer erinnerte mich an das Sandkorn in einer Muschel, das irgendwann zur Perle, zum Schatz werden kann.
– Junge Menschen, die in ihrem Berufsleben so sehr eingespannt sind, dass sie sagen: ‚It’s killing me!‘ – Wie kann man Beruf und das Privatleben gut vereinbaren?
– Menschen, mit denen ich gemeinsam die Kraft besonderer Orte aufspürte und denen ich so lange über die Kraft der Kirchen erzählte, bis sie diese selbst erfahren konnten.
– Besonders dankbar bin ich für die Freundschaft, die sich zu einem Menschen entwickelt hat, der sich als ‚queer‘ fühlt und mir ganz viel Einblick gab in das Leben zwischen den Geschlechtern. Diese Person möchte nicht als Mann oder Frau angesprochen werden.
Es war ein Ringen um Worte, Bezeichnungen, Pronomen. Wie von einer Person reden, die sich nicht als er oder sie fühlt? Obwohl oder weil wir aus komplett verschiedenen Welten kommen, hatten wir unendlich viel Gesprächsstoff. Mich erinnerte dieses Ringen um Anreden und Worte sehr an meine Versuche, über Gott zu reden, wo doch auch kein er/sie passend ist, weil Gott viel mehr ist.
‚Never look back!‘ Diese Lied hörte ich bei der Abfahrt von Santiago aus dem Lautsprecher. Ich schau dankbar zurück und die Erinnerungen werden ein Schatz in meinem Herzen sein, wenn ich heimkomme und in einen neuen Lebensabschnitt starten werde.
Der wirkliche Weg ist der ‚Camino de la vida‘ – der Weg des Lebens.

In Santiago wird in deinem Innern
eine Glocke angeschlagen,
die künftig deinen Lebensweg begleitet.
Und wenn sie einmal ganz verklingt,
dann wird es Zeit für dich,
erneut nach Santiago aufzubrechen.

Heimreise

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‚Mit Bus und Zug nach Hause? Warum tust du dir das an?‘ Viele Menschen haben mich das in den letzten Tagen gefragt. Weil es umweltschonender ist. Weil ich die Zeit habe, bzw. mir nehme. Weil es für mich eine gute Möglichkeit ist, Abschied zu nehmen und langsam wieder daheim anzukommen. Wobei langsam ja relativ ist, wenn man daran denkt, dass die Pilgernden früher den ganzen Weg wieder zurückgegangen sind. Sie haben in Santiago umgedreht, vielleicht auch ihr Leben. Das Ende des Weges war der Beginn eines neuen Weges, vielleicht auch eines neuen Lebens. Deswegen sieht man am Eingang der Kathedrale auch das Christussymbol ‚XP‘ mit Omega und Alpha – also umgedreht. Das Ende als Anfang.
An einer Mauer am Weg las ich den Spruch: ‚Du musst dein Ändern leben!‘ Es dauerte etwas, bis ich verstanden habe, dass da kein Fehler ist.
Zu pilgern schenkt viele Wegerfahrungen und verändert. Die Herausforderung liegt darin, dieses bereicherte Leben zu Hause weiterzuführen und gleichzeitig die anderen zu Hause nicht zu überfordern.

Santiago de Compostela war ein wichtiges Ziel
doch nun erkenne –
verwandelt kehrst du heim
reich an persönlichen Erfahrungen
bist nicht mehr die gleiche, die aufgebrochen ist,
doch die Menschen, viele Fragen und Probleme sind geblieben
nutze deine neue Chance –
alles neu zu sehen
deinen neuen Erfahrungen zu trauen
mutig neue Wege zu gehen
entdecke –
nur im Weitergehen, Schritt für Schritt
bleibst du auf der Spur
findest du den Sinn deines Lebens,
denn der eigentliche Pilgerweg ist der Alltag des Lebens

Morgens überquerte ich zu Fuß die Brücke, die mich von Spanien nach Frankreich führte. Dann gings mit dem TGV, dem französischen Schnellzug, mit 300 km/h durch ganz Frankreich bis nach Paris. Dort machte ich eine Metro-Rundreise, da ich zuerst beim falschen Bahnhof landete, jetzt gehts weiter nach Zürich und mit dem Nachtzug nach Wien. Dort komm ich morgen früh an, und morgen wirds auch den letzten Blog-Eintrag geben.

Abschied

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Abschied nahm ich heut zuerst von meinen Schuhen. Sie haben mich zweimal auf dem Jakobsweg, nach Mariazell und auf dem Johannesweg im Mühlviertel getragen. In Summe über 2000 km. Jetzt ist die Polsterung der Ferse so abgewetzt, dass das eine tiefe Blase hinterlassen hat. Ich würdigte die Schuhe mit einem Foto auf dem Kathedralsplatz, bevor ich sie in einer Mülltonne versenkte.
Dann vollzog ich die Rituale, die hier in Santiago wichtig sind: Ich umarmte die große Jakobusbüste über dem Hochaltar mit dem Versprechen, wieder zu kommen, und ich betete beim Grab des Apostels.
Eine nette Geschichte hörte ich voriges Jahr: ein junger Mann erzählte, dass seine Mutter die Pilgermesse in der Kathedrale mitgefeiert hat und danach vollkommen aufgeregt war, weil sie eine Erscheinung gesehen hätte: der Hl. Jakobus auf dem Hochaltar habe ihr immer wieder zugewunken. Tatsächlich waren es die Arme der unzähligen Pilger gewesen, die auch während der Messe hinaufsteigen, um die Figur zu umarmen!
Aber wenn ich jetzt hinaufschaue, denke ich immer daran, dass Jakobus auch mir freundlich und bestätigend zuwinkt.
Verabschieden muss ich mich nicht nur von Jakobus und seiner Stadt, sondern für längere Zeit auch von der Kathedrale: sie wird demnächst komplett geschlossen und innen renoviert. Die Gottesdienste werden in der Franziskuskirche gefeiert werden. Bis zum Jahr 2021 soll die Kirche fertig sein. Da ist der 25. Juli, der Jakobustag, ein Sonntag und die heilige Pforte – ‚puerta santa‘ wird geöffnet, dieses besondere Tor, das beim Durchgehen den Erlass aller Sünden verspricht.
Jetzt fahr ich erstmal nach Hause, heute Nacht mit dem Bus zurück bis an den Beginn meines Weges. Und dabei kann ich an den einzelnen Stationen noch einmal in den Erinnerungen schwelgen und Abschied nehmen: La Coruña, Oviedo, Santander, Bilbao, San Sebastian und Iruñ.
Wann ich wiederkomme, weiß ich nicht, aber ich hoffe darauf, dass es mir irgendwann vergönnt ist, vielleicht ja auch als ehrenamtliche Mitarbeiterin für zwei Wochen im deutschsprachigen Pilgerbüro.

Wurzeln

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Auf dem Platz vor der Kathedrale ist den ganzen Tag viel los: immer wieder kommen Pilgernde an – zu Fuß, mit dem Rad, als Busreisende oder Gruppen eines Kreuzfahrtschiffes, und manche auch mit ihren ganz besonderen Autos. Heute zum Beispiel eine Oldtimergruppe aus England.
Als ich 2011 das erste Mal hier war, kam ich auch mit dem Bus und hatte eine Führung in der Kathedrale. Damals sahen wir noch die Portica de la Gloria. Das frühere Portal mit drei Bögen voll mit Skulpturen ist ein Werk von Meister Mateo aus dem 12. Jhdt.
Damals sagte uns die Führerin, dass es ein alter Brauch ist, beim Eintreten in die Kathedrale die Hand an die mittlere Säule mit der Wurzel Jesse zu legen als Symbol dafür, dass wir alle in dieser christlichen Tradition leben. Gestern erfuhr ich, dass diese millionenfachen Berührungen zur Folge hatten, dass das Tor sich verschob und instabil wurde! Ein Beweis dafür, dass auch viele kleine Menschen mit winzigen Dingen etwas verändern können.
Der Wurzel Jesse, dem Stammbaum Jesu, wurde später die riesige Fassade vorgebaut, die wir heute alle kennen. Auch sie will darauf hinweisen, dass wir unsere Wurzeln wertschätzen sollen: Auf der Fassade steht nicht nur Jakobus, sondern auch die Statuen seiner Eltern, Salome und Zebedäus.
Auch ich erinnerte mich heute meiner Wurzeln: die Messe und der Tag stand ganz im Gedenken an meinen Vater, der heute seinen 90. Geburtstag gefeiert hätte und vor vier Monaten doch etwas plötzlich verstorben ist. Ihm waren wir, seine Familie, immer sehr wichtig. In seiner ruhigen Art hat er uns in schweren Zeiten Halt gegeben und uns aber auch unseren eigenen Weg gehen lassen. Dafür bin ich heute besonders dankbar.
Der Höhepunkt des Tages war eine Führung auf den Dächern der Kathedrale, die mit Steinplatten abgedeckt sind. Sie war leider in Spanisch, sodass die architektonischen Aussagen an mir vorüber gingen, aber der Ausblick von oben war genial.

Wieder in Santiago

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Ich hatte eine Nacht im ehemaligen Kloster San Martin Pinario neben der Kathedrale gebucht, das bis zum Bau von El Escorial bei Madrid das größte Gebäude Spaniens. Leider ist in nächsten Nächten ‚todo completo‘. So musste ich mir ein neues Quartier suchen. Pilgerherberge wollte ich nicht mehr, die Sehnsucht nach einem eigenen Raum, wo ich auspacken und alles liegen lassen kann, nach eigenem Bad mit Toilette und nach schnarchfreier Umgebung ist nach dieser langen Zeit einfach zu groß. Ich landete in einer Pension im Zentrum, der Ausblick auf die Kathedrale ist hier vom vierten Stock nicht der schlechteste.
Nächster Programmpunkt: Pilgermesse um 12 Uhr. Um 11.30 wand sich die Schlange um drei Seiten der Kathedrale! Auch wenn es wieder nur für Stehplatz reichte, konnte ich die Messe recht gut mitfeiern und bei den lateinischen Liedern mitsingen. Kindheitserinnerungen an 10 Jahre Kirchenchor und Lateinunterricht machten sich nützlich. Und wieder gabs den Botafumeiro, gesponsert von amerikanischen Pilgernden.
Hier in Santiago de Compostela gibt es ein deutschsprachiges Pilgerbüro, das täglich Messen in deutscher Sprache mit anschließendem gemeinsamen Frühstück, Pilgergespräche und einen spirituellen Rundgang um die Kathedrale anbietet. An letzterem nahm ich heute teil. Dabei wurde betont, dass Pilgernde seit 1000 Jahren hier in Santiago freundlich empfangen werden und dass die Barmherzigkeit hier immer groß geschrieben wurde. So konnten die Menschen nicht nur in der Kathedrale schlafen, sondern auch hier kochen, und beim Ankommen wurden alle – meist zerschlissenen Kleider- in einen Trog geworfen und die Gepilgerten neu eingekleidet. Daran erinnert noch heute das ‚Lumpenkreuz‘ auf dem Dach.
Auch ich hab schon einige meiner Sachen entsorgt, die begannen, sich aufzulösen: Socken, kurze Hose, .. und um mich neu einzugekleiden, dafür gibt es in der Stadt genug Läden, die etwas verkaufen wollen.