Zeit zum Nachdenken

Heute war für mich der bisher schwierigste Tag. Auch wenn ich die höchsten Punkte des Camino hinter mir habe, so prägten die heutige Route doch steile Anstiege und kurze Abstiege, auf die noch steilere Anstiege folgten. Das erste Mal meldete sich auch mein Knie. Trotzdem wagte ich eine zusätzliche Fleißaufgabe von 8 km. Dieses Stück liegt zwischen zwei 20 km-Etappen und kann entweder als Tagesmarsch gemacht oder an einem der Nachbartage drangehängt werden. Als Strecke für einen ganzen Tag ist mir das zu kurz. Und mir war es heute lieber, da ich morgen Lugo erreichen werde. Das ist die einzige größere Stadt auf dem Camino primitivo. Die möchte ich mir am Nachmittag ansehen.
Auf dem Weg nahm ich mir bewusst Zeit, zurück zu schauen auf die gegangenen Wegstrecken, auf die Berge, die ich überschritten und hinter mir gelassen habe. Und es war auch Zeit, auf meine eigene Geschichte zu schauen. Mein Vater hätte heute seinen 93. Geburtstag. Was waren die Werte, die er mir mitgab für das Leben? Und was davon ist mir wichtig geblieben? Bescheidenheit, Glaube, Treue, Verantwortungsbewusstsein, .. Was ich von ihm übernommen habe, ist auch seine Reiselust. Jedes Jahr organisierte er als Obmann des Weinbauvereins eine mehrtägige Auslandsreise. Und seine Liebe zur Familie, die er als Kind nicht erleben durfte.
Nachdem ich in der letzten Nacht in meinem Seidenschlafsack sehr gefroren habe, bin ich heut in Castroverde in einer Pension gelandet – und bekam das letzte Zimmer, eines, das normalerweise wegen der lauten Lüftung nicht vermietet wird. Wieder mal Glück gehabt.

4 Kommentare zu „Zeit zum Nachdenken

  1. Liebe Hermi, begleite dich gedanklich ein Stück des Weges,danke für die Eindrücke und toll wie du die Anstrengung meisterst.
    Lg.Gabi

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  2. Liebe Hermi. Es ist so schön jeden Tag mit Dir den Pilgerweg zu erleben. Bleib gesund und wachsam. Danke für die schönen Berichte und Fotos.
    Bis bald. Gruß Waltraud

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